Ziehmesser
Objektbeschreibung
Technische Daten
Datierung: Klinge um 1900, Montierung um 1946
Material: Stahl, Holz, Eisenblech
Maße: Klingenlänge 20,5 cm, Klingenbreite 2,0 cm, Grifflänge jew. 11,5 cm (H x B x T)
Unscheinbare Objekte führen oft ein unbeachtetes Dasein in der Sammlung, können dadurch aber nicht weniger Zeitgeschichte erzählen. Dies gilt auch für das hier gezeigte Zug- oder Ziehmesser. Als Werkzeug zur Holzbearbeitung ist es bei unterschiedlichen Berufsgruppen bis heute in Gebrauch. Es dient zum Entrinden von Stämmen oder zur Bearbeitung gewölbter Oberflächen. Man zieht es mit seiner geschärften Seite über das Werkstück zu sich.
Das vorliegende Exponat hat allerdings eine militärische Vorgeschichte. Dies zeigt der Blick auf die Klinge, die für ein einfaches Werkzeug ungewöhnlich reich verziert ist. Deren feine Ätzung zeigt Waffen, kriegerische Trophäen und florale Elemente. Auf der sogenannten Fehlschärfe, dem Ansatz zwischen dem Griffstück einer Klinge und deren geschliffenem Teil, befindet sich das Herstellerzeichen. Ein Königskopf und ein Ritterhelm bezeichnen seit 1883 die Firma Weyersberg, Kirschbaum und Cie (WKC) aus Solingen. Das Unternehmen führt seine Ursprünge bis zum Jahr 1560 zurück, in welchem der Königskopf als Warenzeichen eingetragen wurde. Bis heute ist Solingen weltweit als Produktionsstandort für qualitativ hochwertige Klingen berühmt.
Die hier zu sehende Klinge eines früheren Offiziersdegens wurde vermutlich um 1946 privat zum Werkzeug umgearbeitet. Hintergrund könnte das Verbot von Waffenbesitz gewesen sein, das die alliierten Besatzungsmächte unter Androhung der Todesstrafe für die Deutschen erlassen hatten. Die wirtschaftliche Notlage in den zerbombten Städten erforderte darüber hinaus die konsequente Ausnutzung der noch vorhandenen materiellen Möglichkeiten.
// Text: Carsten Reuß, September 2021
Literatur
- N., N.: Weyersberg, Kirschbaum & Cie. Solingen. Illustrierter Warenkatalog, Nachdruck Solingen o.J.
Schon gewusst?
Die Umwandlung von militärischen in zivile Nutzungen bezeichnet man als Konversion. Das kann die Umstellung der Produktion von Rüstungsgütern auf zivile Artikel ebenso umfassen wie die Nachnutzung von Militärgebäuden und Ausrüstungsstücken. Das LWL-Preußenmuseum befindet sich in einer Defensionskaserne von 1829, einem Konversionsprojekt der 1990er Jahre.