Uniformrock General Blücher (1742-1819)
Objektbeschreibung
Technische Daten
Datierung: um 1808
Material: Wolle, Leinen, Metallfadenstickerei, Messingknöpfe
Maße: 95 x 37cm (H x B)
Original? Oder Originell? – Provenienzforschung im Museum
Museumssammlungen setzen sich aus Schenkungen von Privatleuten, im Handel oder privat gezielt angekauften Objekten und aus vorübergehenden Leihgaben zusammen. Bei ihrer Dokumentation stellt sich die Frage nach dem Weg der historischen Überlieferung. Dieser ist nicht immer eindeutig zu klären und erfordert manchmal umfangreiche, zeitintensive Recherchen. Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1819) war nach der Schlacht bei Waterloo 1815 Preußens populärster Heerführer im Kampf gegen Napoleon. Seine Uniform gelangte über den Handel in die Sammlung. Starke Substanzverluste des historischen Tuches wurden mit zeitgenössischem Material ergänzt und die Stickerei der Aufschläge neu hinterlegt. Im Futter eines Ärmels findet sich mit Tinte der handschriftliche Eintrag: THE COAT OF F.M. BLUCHER at LEIPSIC. Ursprünglich soll eine renommierte, seit 1775 bestehende Sammlung historischer Textilien das Objekt besessen haben. Sie wurde 1998 in Paris aufgelöst. Wie die Uniform des preußischen Feldmarschalls einst im 19. Jahrhundert dorthin gelangte, bleibt offen. Wieviel originale Textilsubstanz besitzt die Uniform tatsächlich, wer hat die Verluste wann ersetzt und von wem stammt die historische Bezugnahme auf General Blücher? Gerade bei der Zuschreibung historischer Objekte zu berühmten Persönlichkeiten stellen sich diese Fragen. Eine eindeutige Klärung der Provenienz benötigt daher ein hohes Maß an Finanz- und Personalmitteln.
// Text: Carsten Reuß, April 2022
Literatur
- Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg (Hg): Die eigene GESCHICHTE. Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich. Tagungsbericht, (= Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, 2), Bearbeitet von Ulf Häder unter Mitwirkung von Katja Terlau und Ute Haug, Magdeburg 2002.
- Sarr, Felwine/Savoy, Bénédicte: Zurückgeben. Über die Restitution afrikanischer Kulturgüter, Berlin 2019.
- Schwartz, Johannes: Was ist Provenienzforschung? Die Washingtoner Prinzipien, ihre Umsetzung in Deutschland und Forschungen in der Landeshauptstadt Hannover, in: Museum August Kestner, Johannes Schwartz und Simone Vogt (Hg.): Spuren der NS-Verfolgung. Provenienzforschung in den kulturhistorischen Sammlungen der Stadt Hannover, Köln 2019, S. 16–25.
Schon gewusst?
Bei historisch gewachsenen älteren Museumssammlungen stellen sich zunehmend neue Fragen nach der Herkunft der Objekte. Sind sie infolge von kriegerischen Handlungen, durch den gewaltsamen Zwang eines Unrechtsregimes oder im Zusammenhang mit der Kolonialzeit einst unrechtmäßig erworben worden? Gibt es Rückgabeansprüche oder Eigentumsvorbehalte von anderer Seite? Größere Museen oder Einrichtungen des Bundes besitzen inzwischen eigene Abteilungen, die sich vorrangig mit der Klärung der Provenienz, also der Herkunft von Kulturgut, beschäftigen. Als zentraler Ansprechpartner und Koordinierungsstelle in Deutschland fungiert dabei das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg.