Quartier-Wechsel
Gebäude und Geschichte(n) am Simeonsplatz. 1815 bis heute
Als Teil der neuen ständigen Museumspräsentation widmet sich ein Raum vorab der wechselvollen Geschichte der Defensionskaserne, die als heutiges Museumsgebäude zugleich das erste und größte Exponat der Sammlung darstellt. Sie ist Teil eines historischen Gebäudeensembles am Simeonsplatz, das als separate Militärvorstadt Mindens lange Zeit über ein Drittel der Stadtfläche einnahm. Die architektonisch zum Teil bedeutenden Bauwerke spiegeln noch heute die vielfältige Nutzungsgeschichte eines Stadtquartiers. Über gut 200 Jahre hinweg geben sie Einblicke in Zeitläufe und Einzelschicksale deutscher Geschichte, die eine Erzählung wert sind.
Die historischen Gebäude rund um den Simeonsplatz
Hier erfahren Sie mehr über das historische Gebäudeensemble und seine Nutzungsgeschichte.
Defensionskaserne Nr. 1
erbaut 1829
Die ehemalige Defensionskaserne am Simeonsplatz wurde vermutlich nach Plänen des Hauptmanns Franz Erdmann Konrad von Uthmann (1790–1861) erbaut. Möglicherweise war auch der Ingenieur-Leutnant G. A. Creuzinger an den Entwürfen beteiligt. Als einer von ursprünglich drei geplanten, gleichartigen Kasernenbauten diente sie als Teil der Mindener Festung zur Sicherung des strategisch wichtigen Weserübergangs.
Ihr Zweck war von Anfang der Planungen an doppelt ausgelegt: sie sollte sowohl Verteidigungswerk als auch Unterkunft für rund 400 Soldaten sein, die in Friedenszeiten hier untergebracht waren. Dies entlastete die Mindener Zivilbevölkerung, in deren Häusern die Militärangehörigen zuvor üblicherweise einquartiert waren. Im Belagerungsfall – der nach 1815 nie mehr eintrat – hätte das Gebäude zudem als „kasemattierte“ (gegen Beschuss gesicherte) Batterie gedient. Dazu verfügte es über ein eingedecktes Tonnen- und Kreuzgewölbe und eine beschusssichere „Bombenbalkendecke“. Die nach außen gewandte Rückseite stellte eine verteidigungsfähige Festungsfront mit Kanonenscharten im Ober- und Gewehrscharten im Untergeschoss dar. Die zum großen Parade- und Exerzierplatz gewandte Fassade wurde dagegen als Präsentationsseite in klassizistischer Formensprache gestaltet.
Die Defensionskaserne wurde bis heute mehrfach in baulichen Details verändert, ohne aber ihre Grundstruktur und die Merkmale ihrer ursprünglich vorgesehenen Nutzungszwecke zu verlieren. Das Preußen-Museum NRW bezog das Gebäude 1998. Seit 2016 gehört es als LWL-Preußenmuseum Minden zum Landschaftsverband Westfalen-Lippe.
Garnison-Lazarett
erbaut 1832
Das ehemalige Garnison-Lazarett der Festung Minden wurde kurz im Anschluss an die gegenüberliegende Defensionskaserne nach stilistisch ähnlichen Entwürfen errichtet. Zusammen stellen die beiden Gebäude ein bedeutendes Zeugnis klassizistischer Militärarchitektur in Preußen dar. Das Garnison-Lazarett diente zunächst zur Pflege kranker und verwundeter Soldaten, später auch als ziviles Krankenhaus.
Wie die Defensionskaserne ist es mit Portasandstein verkleidet und verfügt über eine beschusssichere „Bombenbalkendecke“ im Obergeschoss. An der auf den Platz weisenden Fassade führt eine Doppelrampe zum Hauptportal, das mit gusseisernen Initialen des preußischen Königs Friedrich Wilhelms III. verziert ist.
Heute beherbergt das Gebäude neben verschiedenen Beratungsstellen die Verbraucherzentrale NRW e. V. sowie eine Außenstelle des Mindener Klinikums.
Proviantmagazin / Trainschuppen
erbaut 1819/20
Die beiden Gebäude dienten zur Lagerung von Lebensmitteln und Transportmaterial wie Wagen und Karren. Heute beherbergt das ehemalige Proviantmagazin unter anderem ein Restaurant.
Körnermagazin Nr. 3 / Exerzierhalle
erbaut um 1900/1937
Das zwischen 1896 und 1912 errichtete Körnermagazin diente zur Lagerung von Lebensmitteln. Es wurde 1936 entfernt und durch eine Exerzierhalle ersetzt. Dieses auch als Sporthalle und Gymnastikraum genutzte Gebäude wurde 1995 abgebrochen. An seiner Stelle steht heute eine Seniorenresidenz.
Kammergebäude
erbaut 1903/04
Im Kammergebäude lagerte Kleidung und Ausrüstung für die Truppenteile, die in der ehemaligen Kaserne Nr. 3 untergebracht waren. Nach dem Ersten Weltkrieg richtete man in dem dreigeschossigen Putzbau zunächst Wohnungen für Soldatenfamilien ein. Nach Ende der militärischen Nutzung sind hier seit 1998/99 eine Musikschule und eine Kinder-Kunst-Kultur-Werkstatt untergebracht.
Artillerie-Pferdeställe A–C mit Reitbahn
A und B erbaut 1867–1906; C erbaut 1880–1892
Die ehemaligen Pferdeställe A–C dienten der Unterbringung der Reit- und Zugpferde verschiedener Artillerie-Regimenter. Hinter den Ställen A und B schloss sich eine nachträglich errichtete Reithalle an. Zwischen Stall C und dem Kammergebäude lag ein Reitplatz. Das britische Militär nutzte die Stallgebäude nach dem Zweiten Weltkrieg als Garagen und Instandsetzungswerkstätten. Seit 1994 befindet sich dort eine Wäscherei der Simeonsbetriebe (Sitex).
Beschlagschmiede und Waffenmeisterei
erbaut um 1900
Das T-förmige Gebäude ersetzte einen älteren Vorgängerbau und beherbergte Schmiedewerkstätten für den Beschlag der Artilleriepferde und die Instandhaltung der Geschütze und Handwaffen der Soldaten. Bis 1994 wurde es weiterhin militärisch als Fahrzeugwerkstatt genutzt. Seitdem gehört es zum Preußenmuseum, das hier sein Gemäldedepot eingerichtet hat.
Garnison-Waschanstalt
erbaut 1864–1898
Die mehrfach umgebaute und erweiterte Wäscherei der Festung wurde nach 1945 von den Simeonsbetrieben (Sitex) übernommen, die sie zum selben Zweck weiternutzten. Nach 1994 kamen die ehemaligen Pferdeställe A und B hinzu.
Militär-Ökonomie-Gebäude
erbaut 1837
Im ehemaligen Militär-Ökonomie-Gebäude waren Werkstätten für Handwerker wie Schneider, Schuster und Sattler untergebracht. Hier lagen zudem Wohnräume für den Kasernenwärter und -inspektor. Weitere Räume dienten der Lagerung von Kleidung und Ausrüstung.
Trotz der vorwiegend handwerklichen Nutzung ist das Gebäude architektonisch repräsentativ gestaltet. Eine Zeit lang befand sich hier das Standort-Kommando der Bundeswehr. Heute beherbergt es die Mindener Entwicklungs- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft.
Wagenhaus Nr. 2
erbaut 1853
Das Wagenhaus Nr. 2 weist – wie viele der anderen Festungsgebäude – eine klassizistische Formensprache auf. Wie die Defensionskaserne verfügt es über eine repräsentative Fassade in Richtung des Platzes und eine schlichte, mit Kanonen- und Gewehrscharten ausgestattete Rückseite.
Im Wagenhaus waren Zugfahrzeuge der Artillerie untergebracht. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente es zunächst zu Wohn- und Gewerbezwecken, anschließend wurde es durch die Bundeswehr als Lager genutzt. Hier befindet sich heute ein Fitnessstudio.
Infanterie-Kaserne Nr. 3
erbaut 1888
Die Infanterie-Kaserne Nr. 3 wurde zur Unterbringung des II. Bataillons des Infanterie-Regiments „Prinz Friedrich der Niederlande“ Nr. 15 erbaut. Die Bataillone I und III des Regiments waren an anderer Stelle im Stadtgebiet untergebracht. Später belegten auch die Reichswehr und die Wehrmacht das Gebäude. Auf eine Nutzung durch das britische Militär nach dem Zweiten Weltkrieg folgte von 1999 bis 2001 ein Umbau zum Wohn- und Bürogebäude.